Zivilprozess, 4. Verhandlungstag 05.04.2000

4. Verhandlungstag, Mittwoch, den 05.04.2000

 

In Sachen

Andrea W.

gegen

Harry Wörz

wegen

Schadensersatz und Schmerzensgeld

erscheinen bei Aufruf der Sache:

Für die Klägerin deren Betreuerin Metka Z. und Frau Rechtsanwältin B., Pforzheim, sowie für den weiteren Betreuer, Wolfgang Z., Herr Rechtsanwalt G., Mosbach: der Beklagte in Person und Rechtsanwalt Gorka, Karlsruhe.

Anwesend sind weiterhin die zum heutigen Termin geladenen Zeugen Conle und Kühner sowie Frau Rechtsanwältin V.

Die anwesende Rechtsanwältin V. erklärt:

Ich bin zur Ergänzungsklägerin bestellt worden und zwar für Kai W. Ich bin grundsätzlich mit einer Vernehmung des Jungen einverstanden, habe die notwendigen Voraussetzungen allerdings in meinem Schriftsatz vom 29.03.2000 im Einzelnen festgelegt. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, bin ich einverstanden, daß das Kind vernommen wird. Falls eine der genannten Voraussetzungen der Ziffern 1 bis 5 nicht erfüllt wird, bin ich mit der Vernehmung des Kindes nicht einverstanden.

Frau Rechtsanwältin B., Rechtsanwalt G. und Rechtsanwalt Gorka stimmen den genannten Voraussetzungen zu und sind unter diesen Voraussetzungen mit der Vernehmung des Kindes Kai W. einverstanden.

Die Kammer regt an, mit der Begutachtung Frau Mehren, Kinderpsychologin in Stuttgart zu beauftragen. Einwendungen hiergegen werden von den Beteiligten nicht erhoben.

Sodann wird in die Beweisaufnahme eingetreten.

 

1. Zeuge: Herr Conle

Der Zeuge wird prozessordnungsgemäß belehrt und wie folgt vernommen:

Zur Person:

Ulrich Conle, 39 Jahre alt, Kriminalbeamter bei der PD Pforzheim, mit den Parteien nicht verwandt und nicht verschwägert.

Zur Sache:

Ich war Hauptsachbearbeiter des Falles und habe in diesem Zusammenhang auch später sämtliche Spuren etc. durchgesehen. Ich war zunächst beauftragt Herrn Thomas H. in Karlsruhe abzuholen, der vorläufig festgenommen worden war. Ich habe diesen dann vernommen. Anschließend sind wir in seine Wohnung gefahren und haben diese durchsucht.

Den Tatort selbst habe ich erst am folgenden Tag gesehen. Den Inhalt der Plastiktüte habe ich am 29.04. verpackt gesehen und diesen auch Herrn Wörz vorgehalten. Dies war auf der Dienststelle des Dezernats 1. Die Spuren waren zum damaligen Zeitpunkt in polizeilichen Tüten verpackt. Die Spuren waren auch bereits daktyloskopisch untersucht. Das grüne Tuch habe ich am 29.04. nicht ausgepackt, sondern in der polizeilichen Tüte gelassen. Ich habe Herrn Wörz gefragt, ob er sich vorstellen könne, wo wir die Sachen gefunden haben. Ich kann mich an seine Antwort betreffend das grüne Tuch nicht mehr genau erinnern. Insoweit muß ich auf meine damaligen Vermerke verweisen.

Ich selbst habe in der Wohnung des Herrn Wörz keine Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt. Dies taten meine Kollegen. Ich weiß allerdings, daß in der Wohnung des Herrn Wörz ein grünes Tuch aufgefunden wurde. Dieses Tuch war mit dem am Tatort aufgefundenen Tuch meines Erachtens identisch. Beide Tücher wiesen die gleiche Farbe, Webart und Fadenstärke auf. Beide Tücher wiesen auch Unterbrechungen am Rand auf. Die beiden Tücher wichen lediglich geringfügig in der Größe voneinander ab. Bei den Vernehmungen wurde Herr Wörz auch auf diese Tücher angesprochen. Herr Wörz konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, wo er das in seiner Wohnung aufgefundene Tuch her hatte. Soweit ich mich erinnern kann, erklärte er, daß seine Mutter bei der Bundeswehr in der Kleiderkammer arbeite und er von daher verschiedene Bundeswehrartikel habe. Er habe auch bereits bei einem Versandhandel ähnliche Artikel bestellt. Letztlich blieb aber unklar, woher das in seiner Wohnung aufgefundene Tuch stammte. Beide Tücher wurden zur Untersuchung an das Landeskriminalamt gegeben.

Zu dem Zeitpunkt, zu dem das Gutachten vorgelegt wurde, war meine Tätigkeit bereits beendet. Ich weiß aus der Strafverhandlung aber, daß festgestellt wurde, daß sowohl das Tuch vom Tatort, als auch das Tuch von der Wohnung im gleichen Haushalt gewaschen worden sein sollen.

Frage des Beklagtenvertreters:

Mir schienen beide Tücher annähernd quadratisch. Wenn mir nun vorgehalten wird, daß das eine Tuch quadratisch, das andere Tuch aber rechteckig gewesen sei, so muß ich sagen, daß auch dies zutreffen kann.

Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich die Kollegen Jung und Ernst beauftragt, die Handschuhe am Pkw des Beklagten zu sichern. Dies war bislang noch nicht geschehen. Wir sind bis dahin davon ausgegangen, daß es sich um Handschuhe handelte, die von Polizeibeamten benutzt worden waren, die bereits vorher am Pkw tätig waren.

Auf Diktat genehmigt. Auf nochmaliges Vorspielen vom Tonträger und weiterer Fragen wird allseits verzichtet. Anträge zur Vereidigung des Zeugen werden nicht gestellt. Der Zeuge wird unvereidigt um 10.45 Uhr entlassen.

 

2. Zeuge: Herr Kühner

Der Zeuge wird prozessordnungsgemäß belehrt und wie folgt vernommen:

Zur Person:

Hubert Kühner, 47 Jahre alt, Kriminalbeamter bei der PD Pforzheim, mit den Parteien nicht verwandt und nicht verschwägert.

Zur Sache:

Ich habe den Beklagten mehrfach vernommen. Am 30.04. war ich abends am Tatort. Zuvor hatte sich der Nachbar Rudolf K. selbständig als Zeuge gemeldet. Er hatte von einem Dialog berichtet, den er in der Nacht wahrgenommen und zunächst als Traum angesehen habe. Herr K. wurde dann von mir vernommen. An Ort und Stelle wurde dann überprüft, ob man in seinem Wohnhaus überhaupt einen Dialog im Tatortanwesen hören könnte. Dies bestätigte sich bei unserer Überprüfung.

In der Vernehmung des Beklagten am 06.05. verwendete er das Wort "Geschrei", welches lediglich jemand wissen konnte, der sich am Tatort befand. Soweit ich mich erinnern kann äußerte der Beklagte sinngemäß, daß er sich nicht vorstellen könne, daß Wolfgang Z. bei dem Geschrei wach geworden sei. Ich bin mir absolut sicher, daß ich ihm dies zuvor auch nicht vorgehalten habe. Die Vernehmung des Beklagten wurde exakt protokolliert. Es gab vorher kein nichtprotokolliertes tatbezogenes Gespräch mit dem Beklagten. Von mir oder Herrn Conle - genau weiß ich dies nicht mehr - wurde ihm vorgehalten, daß er gar nicht wissen könne, daß es ein Geschrei gegeben habe, wenn er sich nicht am Tatort befunden habe. Auf diesen Vorhalt hin war er zunächst "sprachlos" und vermochte keine Erklärung hierzu abzugeben. Herr Wörz versuchte dies dann dahingehend zu erklären, daß er das Wort "Geschrei" möglicherweise bereits bei früheren Vernehmungen von meinen Kollegen gehört habe. Ich habe ihm dann allerdings weiterhin vorgehalten, daß dies nicht der Fall sein könne, da der Zeuge K. auch erst nachträglich bekannt wurde. Mit "Geschrei" ist der Dialog gemeint, den der Zeuge K. gehört hatte.

Meiner Erinnerung nach erfolgte nach dem 30.04. die erste Vernehmung des Beklagten am 06.05. Ich habe lediglich in Erinnerung, daß der Beklagte zu Beginn einer Vernehmung nach dem Zustand seiner Ehefrau fragte. Wir erklärten dann aber, daß wir dies zurückstellten. Ob dann weitere Nachfragen seitens des Beklagten erfolgten, weiß ich heute nicht mehr. Insoweit muß ich auf meine damaligen Protokolle verweisen.

Auf Frage:

Der Beklagte war bei der Protokollierung seiner Aussagen und der Wortwahl beim Diktieren sehr penibel. Er korrigierte bereits beim Diktat und auch bei der späteren Vorlage des schriftlichen Protokolls.

Auf Vorhalt S. 73 des strafgerichtlichen Urteils:

Es ist zutreffend, daß ich den Beklagten in der Vernehmung am 30.04.1997 danach gefragt habe, ob er in der Wohnung gewesen sei und es eine Auseinandersetzung gegeben habe, die eskaliert sei. Ich bin mir aber sicher, daß ich auch am 30.04.1997 bei der Vernehmung nicht das Wort "Geschrei" ins Spiel gebracht habe.

Auf Frage:

Am 30.04. hatte ich zunächst den Beklagten und erst später den Zeugen Rudolf K. vernommen. Bei der Vernehmung des Beklagten wußte ich noch nicht, was der Zeuge Rudolf K. später aussagen würde.

Auf Diktat genehmigt. Auf nochmaliges Vorspielen vom Tonträger und weiterer Fragen wird allseits verzichtet. Anträge zur Vereidigung des Zeugen werden nicht gestellt. Der Zeuge wird unvereidigt um 11.35 Uhr entlassen.

 

Sodann wird der Sachverständige vernommen.

Zur Person:

R. Förster, 40 Jahre alt, Biologe, beschäftigt beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg, im Sachgebiet Serologie DNA-Analytik des kriminaltechnischen Instituts, mit den Parteien nicht verwandt und nicht verschwägert.

Zur Sache:

Der Sachverständige erläutert sein Gutachten. Alle Beteiligten haben die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Der Sachverständige wird unvereidigt um 13.10 Uhr entlassen.

 

Der Beklagte erklärt auf informatorische Befragung:

Am 19.04.1997 war ich zuletzt im Tatortanwesen. An diesem Tag habe ich meinen Sohn Kai abgeholt. Bis zu meinem Auszug Weihnachten 1994 hatte ich einen Schlüssel für die Einliegerwohnung. Einen Schlüssel für die obere Eingangstür hatte ich zu keinem Zeitpunkt. Den Schüssel habe ich bei meinem Auszug Weihnachten 1994 Frau Z. übergaben. Auch Herr Z. war dabei. Wenn ich in der folgenden Zeit Kai abgeholt habe, nachdem meine Frau bereits wieder im Tatortanwesen wohnte, habe ich an der oberen Eingangstür geklingelt.

Anfang 1996 hat sich abgezeichnet, daß unsere Ehe nicht aufrechtzuerhalten sein würde. Ich habe auch eingesehen, daß es keinen Sinn mehr hatte. Etwa März 1996 habe ich dann eine Rechtsanwältin zur Durchführung der Scheidung aufgesucht. Am 28.04.1997 war ich in der Zeit von 17.00 Uhr bis 17.45 Uhr bei meiner Anwältin. Ich wollte über sie erreichen, daß mein Sohn Kai auch bei mir übernachten kann. Soweit ich mich heute erinnern kann, ging es bei dem Gespräch mit der Anwältin lediglich um diese Sache. Ich habe nach dem Gespräch mit der Anwältin nicht mit Andrea gesprochen oder telefoniert.

Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt zwei grüne Passat, einen Kombi und einen mit Schrägheck.

Am 28.04.1997 war ich abends in der Gaststätte "Exil" in Pforzheim. Ich bin dann gegen 21.00 Uhr zu Hause gewesen. Meinen Pkw habe ich ca. 100m von der Wohnung entfernt am Hang abgestellt. Mein Pkw hatte Startprobleme und ich hatte dann die Möglichkeit den Pkw auf der abschüssigen Straße anrollen zu lassen. Den Pkw habe ich abgeschlossen. Ich kann mich heute nicht mehr daran erinnern, ob ich noch etwas am Pkw gemacht habe. Außer mir hatte sonst niemand Schlüssel zu meinem Pkw.

Von zu Hause habe ich dann noch telefoniert und zwar mit meiner Freundin und einer Kollegin. Später wurde ich dann noch zweimal angerufen, unter anderem von Herrn Reinhard B. und von einem Klassenkameraden. Zu diesem Zeitpunkt lag ich bereits im Bett. Die Telefonate endeten gegen 22.45 Uhr. Danach habe ich mit niemandem mehr gesprochen. Ich habe in der Nacht meine Wohnung nicht mehr verlassen.

Aufgrund meiner Fingerendgliedamputationen sind meine Finger sehr empfindlich. Ich habe deshalb bei den verschiedensten Tätigkeiten immer Vinylhandschuhe getragen. Ich habe allerdings keine Erklärung, wo die Handschuhe herkamen, die im Nachhinein an meinem Pkw gefunden wurden.

Ich weiß, daß in meiner Wohnung ein grünes Tuch aufgefunden wurde. Ich kann mich allerdings nicht erinnern, ein solches Tuch in meiner Wohnung gehabt zu haben. Über die Herkunft dieses Tuches weiß ich nichts. Ich habe jedenfalls dieses Tuch nicht bewußt in meinen Schrank gelegt.

Es wurden noch weitere Sachen in meiner Wohnung aufgefunden, die nicht von mir stammen, unter anderem die Munition und der Handschuh mit Haaren.

Meine Aussage mit dem Wort "Geschrei" wurde korrekt protokolliert. Ich hatte zuvor mehrfach den Haftbefehl gelesen und bin durch die in dem Haftbefehl getroffene Formulierung selbst zu dem Wort "Geschrei" gekommen.

Am 13.05.1997 wurde ich von dem Polizeibeamten Kühner in Pforzheim vernommen. Er hat mich gedrängt, ein Geständnis abzulegen. Er hat mir erklärt, daß ich keinen Besuch mehr bekommen könnte, wenn ich kein Geständnis ablegen würde. Daraufhin habe ich gesagt, ich gebe alles zu ohne wenn und aber. Daraufhin hat Herr Kühner näher nachgefragt, also nach den Einzelheiten wie ich zum Tatort gekommen sei usw. Sämtliche Fragen, die Herr Kühner dann an mich richtete, habe ich nur noch mit ja beantwortet. Herr Kühner hat mir dann gesagt, daß das nicht stimmen könne, was ich nun gestehe. Herr Kühner hat gesagt, daß wir ein solch falsches Geständnis nicht bräuchten. Er hat mich dann noch gefragt, ob dieses falsche Geständnis ins Protokoll aufgenommen werden solle, was ich verneint habe. Nach der Vernehmung bin ich dann nachmittags wieder nach Heimsheim gefahren worden. Abends habe ich dann in Heimsheim das schriftliche Geständnis niedergelegt. Ich habe dies lediglich für meinen Rechtsanwalt niedergeschrieben, um ihm später zeigen oder sagen zu können, was ich mit Herrn Kühner besprochen hatte.

Am Morgen des 29.04.1997, also kurz vor der Festnahme, habe ich mir an der Badewanne die Haare gewaschen. Über der Wanne hingen Kleidungsstücke, die beim Haare waschen dann naß geworden sind. Möglicherweise waren die Kleidungsstücke auch in die Badewanne hineingefallen. Ich habe die nassen Kleidungsstücke dann einfach wieder über die Badewanne gehängt. Es handelte sich bei den Kleidungsstücken um eine Jogginghose und ein T-Shirt.

Auf Vorhalt der Vernehmung vom 06.05.1997, AS. 155, Band III der Strafakte:

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob ich am 28.04.1997 die Kleidungsstücke ausgewaschen habe. Ich weiß lediglich noch, daß ich kurz vor der Festnahme am 29.04.1997 noch meine Haare gewaschen habe.

Ich hatte keine Angewohnheit, leere Zigarettenschachteln als Aufbewahrungsbehältnis zu verwenden. Dies kam lediglich gelegentlich vor, wenn ich nichts anderes zur Verfügung hatte, ich meine etwa zwei- bis dreimal.

Auf Diktat genehmigt.

 

Nach weiterer Erörterung erging und wurde verkündet

Gerichtsbeschluß:

Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung, gegebenenfalls zur Durchführung der weiteren Beweisaufnahme wird von Amts wegen - nach Rücksprache mit der Sachverständigen Mehren - bestimmt.