Zivilprozess, 6. Verhandlungstag 27.11.2000

6. Verhandlungstag, Montag, den 27.11.2000

 

In Sachen

Andrea W.

gegen

Harry Wörz

wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld

erscheinen bei Aufruf der Sache:

für die Klägerin Frau Rechtsanwältin B., Pforzheim: der Beklagte In Person und Rechtsanwalt Dr. Gorka. Karlsruhe.

Erschienen sind weiterhin die zum heutigen Termin geladenen Zeugen Conle, Horst W. und Jochen Oe., die prozessordnungsgemäß belehrt werden. Die Zeugen Jochen Oe. und Conle verlassen den Sitzungssaal.

Es erscheinen der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Herr Rechtsanwalt G. und Wolfgang Z..

 

1. Zeuge:

Zur Person:

Horst W. Vater des Beklagten. Der Zeuge ist nach Belehrung aussagebereit.

Zur Sache:

Ich wohne in dem Anwesen Bachstraße 5 unten, mein Sohn wohnte oben. In dem Haus befindet sich ein Treppenhaus. Die Wohnungen sind durch Glastüren abgetrennt. Am 28.04. kam mein Sohn nachmittags vom Zahnarzt nach Hause. Ich meine, daß es gegen 16.00 Uhr bis 17.00 Uhr war. Ich habe ihm dann gesagt, daß wir noch Blumen reinstellen müßten. Er sagte mir, daß er wenig Zeit habe, da er noch zur Rechtsanwältin müßte. Wir haben die Blumen dann doch noch reingestellt. Er ist dann hochgegangen und hat sich fertiggemacht.

Bei unserer Heizung war die Pumpe kaputt. Mein Sohn müßte jeden Tag Öl aus dem Tank herauspumpen, dieses in den Heizraum bringen und dort einfüllen. Nach dieser Arbeit roch man jedes Mal nach Öl. Ob die Kleidung meines Sohnes mit Öl beschmutzt wurde, weiß ich allerdings nicht. Ich weiß auch nicht, ob er seine Kleidung danach ausgewaschen hat. Ich kann nur sagen, daß meine Kleidung jedes Mal mit Öl bespritzt war, wenn ich diese Arbeit gemacht hatte. Meiner Erinnerung nach habe ich das Gleiche auch so in der Verhandlung vor dem Schwurgericht angesagt.

Ich selbst bin an jenem Abend gegen 23.00 Uhr bis 24.00 Uhr ins Bett gegangen. Ich habe nicht gehört, wann mein Sohn nach Hause gekommen ist, ich nehme an. daß er schon zu Hause war, als ich selbst etwa gegen 21.00 Uhr nach Hause gekommen bin. Konkrete Anhaltspunkte hierfür habe ich allerdings nicht. Ich habe ihn auch in der Nacht nicht gehört. Ich hatte nur das Gefühl, daß jemand im Haus ist. Ich habe auch nicht gehört, daß mein Sohn das Haus noch einmal verlassen hätte. Ich meine, daß ich dies gesehen hätte, wenn im Flur Licht angegangen wäre. Dies hätte ich durch die Glastür gesehen.

Auf Frage:

Mein Sohn hat am Sonntagnachmittag Öl nachgefüllt. Am darauffolgenden Montag hat er ebenfalls einen Eimer Öl nachgefüllt. Dies habe ich selbst gesehen. Ich weiß nicht mehr konkret, welche Kleidung mein Sohn hierbei getragen hat. Er hat allerdings für die Arbeit mit dem Öl jedes Mal eine gesonderte Kleidung angezogen. Ich möchte mich allerdings nicht festlegen, welche Kleidungsstücke dies jetzt genau waren.

Auf Frage und Vorhalt des Beklagtenvertreters:

Wenn mir vorgehalten wird, daß mein Sohn für die Arbeit mit dem Öl jedes Mal eine schwarze Jogginghose, ein pinkfarbenes T-Shirt und einen blauen Kittel getragen habe, so muß ich sagen, daß dies stimmen könne. Genau festlegen kann ich mich allerdings nicht mehr. Ich habe mit meinem Sohn keine bestimmte Aussage abgesprochen.

Auf Diktat genehmigt. Auf nochmaliges Vorspielen vom Tonträger und weitere Fragen wird allseits verzichtet. Der Zeuge wird noch nicht entlassen.

 

2. Zeuge:

Zur Person:

Ulrich Conle, Personalien unverändert wie bei der letzten Vernehmung.

Zur Sache:

Im Juli lag uns das schriftliche DNA-Gutachten noch nicht vor. Wir hatten allerdings bereits eine telefonische Vorabmeldung, daß der Beklagte als Hauptspurenverursacher in Betracht komme. Anläßlich einer Vernehmung im Juli habe ich ihm dann vorgehalten, daß man ihn aufgrund einer DNA-Analyse als Täter identifizieren könne. Er sagte daraufhin in schwäbischem Tonfall: "Jetzt bin ich baff". An das Wort "baff" kann ich mich noch ganz genau erinnern. Soweit ich mich erinnere, wirkte er niedergeschlagen und fertig. Ich meine, daß er danach nichts weiteres mehr sagte. Ich habe sein Verhalten so interpretiert, daß er mit diesem Ergebnis nicht gerechnet hatte.

Wenn mir vorgehalten wird, daß der Beklagte noch gesagt haben soll. daß er dies erst glaube, wenn das Ergebnis schriftlich vorliege, so muß ich sagen, daß dies zutreffen kann. Insoweit muß ich auf mein damaliges Vernehmungsprotokoll verweisen. Ich habe keine genaue Erinnerung mehr, ob der Beklagte dies auch als üblen Trick bezeichnete, um ihn zum Reden zu bringen. Auch insoweit muß ich auf meine damaligen Vernehmungsprotokolle und Vermerke verweisen.

Auf Frage des Beklagtenvertreters:

Der Beklagte äußerte insgesamt mehrfach, daß er sich von uns gelinkt fühle. In der Tatwohnung wurden in einer Tüte zwei Marlboro-Schachteln gefunden. Eine Schachtel war markiert und enthielt sieben Amphetamintütchen. Die andere Marlboro-Schachtel enthielt leere Tütchen, die mit Klebeband umwickelt waren und den Anschein erweckten, daß Rauschgift enthalten gewesen sein könnte. Ich habe dies dem Beklagten bei seiner ersten Vernehmung auch vorgehalten. Ich hielt dem Beklagten die Tütchen vor. Den genauen Wortlaut meiner Frage weiß ich nicht mehr. Ich habe ihn sinngemäß gefragt, ob er sich vorstellen könne, was da drin sei und ob er sich vorstellen könne, wo wir die Tütchen her haben. Er erklärte, daß er solche Tütchen schon gesehen habe und es sein könne, daß er solche auch schon berührt habe. Im Lokal "Oberbayern" in Karlsruhe seien ihm Tütchen in dieser Verpackungsart schon zum Kauf angeboten worden.

Für mich war dies eine ungewöhnliche Aussage, da ich während meiner eigenen beruflichen Tätigkeit beim Rauschgiftdezernat noch nie Rauschgiftverpackungen in dieser Form gesehen hatte. Auch weitere Nachforschungen in Pforzheim und beim LKA ergaben, daß eine solche Verpackungsart für Rauschgift noch nie aufgefallen war.

Die Aussage des Beklagten bezüglich des Berührens der Tütchen bezog sich nicht auf die konkreten ihm vorgelegten Tütchen, sondern allgemein auf solche Tütchen dieser Verpackungsart. Ich hatte freilich den Eindruck, daß er eine Erklärungsmöglichkeit für den Fall bringen wollte, daß auf diesen konkreten Tütchen Fingerspuren von ihm gefunden würden. Tatsächlich wurden dann allerdings keine Fingerabdrücke des Beklagten auf diesen Tütchen gefunden.

Auf Frage des Klägervertreters:

Bei den Tütchen handelte es sich um im Wesentlichen quadratische ca. 5 cm bis 7 cm große Tütchen aus durchsichtiger Kunststoffolie, die von allen Seiten verschweißt waren.

Auf Diktat genehmigt. Auf nochmaliges Vorspielen vom Tonträger und weitere Fragen wird allseits verzichtet. Anträge zur Vereidigung des Zeugen werden nicht gestellt. Der Zeuge wird unbeeidigt um 11.15 Uhr entlassen.

 

3. Zeuge:

Zur Person:

Jochen Oe.

Zur Sache:

Am 23. Februar 1998 habe ich Sonja L. bei einer Karnevalsveranstaltung in Arnbach getroffen. Ich kannte sie - wir sind per Du - und wußte auch, daß sie Polizeibeamtin ist. Wir haben über den Fall Harry W. gesprochen. Ich habe gesagt, daß ich davon überzeugt bin, daß Harry nicht der Täter sei. Sie sagte daraufhin: "Ich glaub's auch nicht". Ich habe sie dann gefragt, wen sie für den Täter halte. Sie äußerte, daß sie denke, es sei der Vater des Opfers gewesen. Sie konnte allerdings keine Gründe nennen, wie sie zu dieser Annahme gelangte.

Der Beklagte holte mich normalerweise morgens zur Arbeit ab, da ich damals selbst keinen Führerschein hatte. Am Morgen des 29.04.1997 rief er mich an. Er sagte, daß er heute nicht kommen könne. Er müsse zur Polizei eine Aussage machen. Ich solle im Geschäft ausrichten, daß er später kommen werde.

Auf Diktat genehmigt. Auf nochmaliges Vorspielen vom Tonträger und weitere Fragen wird allseits verzichtet. Anträge zur Vereidigung des Zeugen werden nicht gestellt. Der Zeuge wird unbeeidigt um 11.45 Uhr entlassen.

 

 

Beschlossen und verkündet:

Der Zeuge Horst W. bleibt unbeeidigt und wird um 11.45 Uhr entlassen.

Nach Erörterung des Sach- und Streitstandes erging und wurde verkündet

Gerichtsbeschluß :

Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung wird nach Vorliegen des Gutachtens Prof. Dr. B. von Amts wegen bestimmt.